zusammengestellt von Barbara Stützel

Noch einen Artikel schreiben, wo es so viele spannende inhaltliche Stellen im Sommercamp gab? Nein – ich stelle einfach einige Zitate aus Vorträgen zusammen, die sich rund um das Motto des Festivals bewegten: „Zärtlich bleiben in der Krise“.

Großzelt

 

Wo stehen wir?

von Leon Herweg

Schließ einmal deine Augen... und frag dich: Fasst du Plastik oder die Haut anderer Menschen öfter an? Wie viele Interaktionen oder Beziehungen hast du täglich mit Maschinen und wie viele mit Pflanzen oder wilden Tieren?
Ist das nicht absurd? Ich selbst wohne zurzeit hier im ZEGG, arbeite im Garten und trotzdem haben mich die Fragen stocken lassen. Wann ist Plastik natürlicher geworden als der Kontakt zu Mitmenschen? Wann ist die Verbindung zu meiner Kaffeemaschine bedeutender geworden als der Kirschbaum der uns jeden Tag zur Pause Schatten schenkt? Wir haben die Natur mit Asphalt betäubt, sie so an den Rand unserer Wahrnehmung, unseres Bewusstseins gedrängt, dass wir sie nicht mehr hören, ihr leiden nicht mehr spüren, ihre Verwobenheit mit uns nicht mehr fühlen können.

….

Nur weil wir vor einem Hindernis stehen, in eine Handlungsohnmacht fallen, da die Ausmaße des Problems größer sind als ein Mensch zu begreifen vermag, sind wir noch lange nicht machtlos. Wir müssen demütig genug sein, unser Scheitern zu akzeptieren, unsere Hoffnung, die Dinge so zu erhalten wie sie sind, zu hospitieren und sterben zu lassen. Erst dann sind wir fähig neue Wege zu sehen, neue Wege zu gehen; sind wir fähig als Samen die Erde zu durchbrechen und zu verstehen, dass die Dunkelheit der Erde den Samen vor Kälte schützt und ihn nicht eingesperrt hat. Wie die neuen Wege genau aussehen können und werden, ist noch nicht greifbar. Aber, kann das nicht aufregend sein? Sich in eine Ungewissheit reinzuentspannen, die Zukunft zu projizieren und
mitzugestalten?

Mein Erbe soll nicht materiell an irgendjemensch weitergetragen werden. Ich will mir nicht die Frage stellen was ich (materiell) hinterlasse. Ich will die Zukunft in die Gegenwart fließen lassen und mich fragen: Was für ein Vorfahre möchte ich gewesen sein? Wie habe ich als Vorfahre mein Land hinterlassen, und mit Land meine ich den Boden unter meinen Füßen; den Wald der mir Kühle schenkt; die Felder die mich mit Nahrung versorgen; meine ich den Fluss, den Bach oder den Brunnen der mir Wasser schenkt. Die Achtsamkeit und das Wissen dieser speziellen Kultur an genau diesem Ort. Das ist mir heilig; um das zu erhalten gebe ich mein Leben; in welcher Form auch immer, und frage mich: Was für ein Vorfahre möchte ich gewesen sein?

 

Wie gehen wir weiter?

Von Georg Lohmann

„ZEGG - ein Trainingsort für Wunder?“ hatte ich 2015 formuliert. Ich meinte damit: Die Erfahrung machen von Verbunden sein mit etwas Größerem, was die eigene Person überschreitet. Ich glaube, das ist die Essenz von Spiritualität. Diese Erfahrung kann viele Formen annehmen und es braucht Übung oder Training, um diese Erfahrung immer leichter herbeirufen zu können. Es gibt viele Impulse hier im ZEGG, so etwas ins persönliche und ins kollektive Leben einzuweben. „Vielleicht können wir helfen, guten Boden zu bereiten für klare Entscheidungen, für innere Gewissheit – oder für die richtigen Fragen. Vielleicht können wir den inneren Kompass fühlbarer machen, der in jedem und jeder steckt. Und den Mut wecken, dem zu folgen. Das wünsche ich mir und uns allen“ sagte und schrieb ich damals – und das gilt nach wie vor.

‚Wachheit ist der Weg zum Leben‘ – ich weiß nicht, welcher Meister das gesagt hat, auf jeden Fall braucht es Wachheit auf diesem Weg. Wachheit, um immer wieder neu die kleinen Wagnisse und Herausforderungen zu bemerken und wie gerne man sie lieber nicht wahrnimmt und an ihnen vorübergeht – und dann den Mut, ihnen zu folgen. Mut – diese etwas aus der Mode gekommene Vokabel! – ich glaube, ohne ihn wird das nichts mit der „guten“ oder zumindest der besseren Welt.

Und dieses Sommercamp haben wir die Zärtlichkeit in den Mittelpunkt genommen. Zärtlichkeit – das ist ein Spiel der gegenseitigen immer feineren Rückkopplung. Beruht auf Kontakt, hinfühlen – ein permanentes energetisches Hin- und Her, selbst wenn, bei körperlicher Zärtlichkeit, einer der Partner ganz passiv bleibt. Und - vielleicht das Schwerste - zärtlich sein zu mir selbst im Sinne dieser Rückkopplungsbewegung. Und es auch bleiben, wenn ‚Welt unter‘ ist, wenn ich gerade gescheitert bin. (ganzer Vortrag nachlesbar in diesem Blogbeitrag).

 

Wo wollen wir hin?

Aus verschiedenen Vorträgen

Dolores Richter: Das menschliche Herz braucht die Verbindung zu dem höheren Anliegen. …

Die Aufgabe spiritueller Praxis ist, unsere wahre Natur zu erkennen, indem wir die Identifikation mit der Materie, die Identifikation mit unserem Körper, unseren Gefühlen, unseren Rollen und Befindlichkeiten, unseren Meinungen erkennen. Es ist wichtig, das zu fühlen, aber uns nicht damit zu identifizieren – je mehr wir die Identifikation erkennen, lösen wir uns davon und zwar dadurch, dass wir unseren Bewusstseinsschwerpunkt verschieben. Also unser Schwerpunkt ist nicht mehr in dem: Wie geht es mir gerade, was für eine Meinung habe ich. Der Schwerpunkt ist hier im Zentrum, da wo ich ans Ewige angebunden bin, da wo die Große Kraft wohnt, diese Instanz in mir, die immer bleibt, auch wenn meine Zustände wechseln.

Hazrat Inayat Khan: Mystiker aller Zeiten stimmen darin überein, dass unsere höchste menschliche Aufgabe darin besteht, zu unserer göttlichen Natur zu erwachen. Die meisten von uns erleben jedoch unser Sein auf subjektive Weise und damit einhergehend ein vages Gefühl von Unglücklichsein. Unruhe und Leere. Der mystische Pfad ist der Prozess des Erwachens aus unserer egozentrierten Existenz in einen tieferen Grund des Seins, der von Natur aus ein Gefühl von Staunen, Freude und Frieden verleiht. Meditation kann uns helfen uns dieser tieferen Wesensnatur zu öffnen und wir fangen an, einem größeren und tieferen Zentrum die Treue zu halten.

Otto Scharmer: Solange wir Veränderungen als Aktionen betrachten, die andere Menschen an anderen Orten durchführen müssen, werden wir nichts erreichen. Was wir brauchen, ist ein Konzept, das jeden von uns in den Mittelpunkt stellt, als Gestalter unserer eigenen Zukunft, sowohl individuell als auch kollektiv. …Heilung beruht auf den Prinzipien, dass wir von der Welt nicht getrennt sind, dass ich von anderen nicht getrennt bin und dass wir selbst von unserem höchsten Zukunftspotenzial nicht getrennt sind. Aus diesem Wissen heraus wenden wir uns wieder hin (zu mir, zu anderen, zur Welt). Aber nicht irgendwie, sondern mit der Absicht der Verbindung, wir bringen also unsere Aufmerksamkeit (attention) mit der Absicht (intention) zusammen. Mit offenem Geist (ohne vorgefertigte Konzepte), mit offenem Herz (und Mitgefühl) und mit offenem Willen (indem wir uns dem Größeren anvertrauen). So beginnt eine andere Wirklichkeit.

Konkrete Lösungen für die Krise anbieten war nicht Thema das Festivals, sondern eher die Änderung der Haltung mit der wir in der Welt stehen. Und – eine neue Wirklichkeit beginnt natürlich nur, wenn wir uns dann auch der konkreten Welt zuwenden und aus dieser Haltung heraus in ihr handeln…dafür stehen dann andere Artikel in unserem Newsletter.

 

Sternenhimmel