von Barbara Stützel
Anfang Mai gestalteten wir im ZEGG eine Matinée: das sind unsere Sonntagstreffen, in denen wir uns fortbilden oder mit Themen tiefer auseinandersetzen. Dieses Mal ging es um mehr Bewusstsein über unsere Ressourcen. Denn in Krisenzeiten besteht die Gefahr, immer nur auf die schwierigen Dinge zu schauen. Evolutionär war es einmal sinnvoll, sich vor allem mit dem zu beschäftigen, wo Gefahr lauerte. Heute werden wir täglich von Gefahrennachrichten überschüttet. Um dadurch nicht auszubrennen, müssen wir unsere Aufmerksamkeit bewusst auf das lenken, was funktioniert.
Auch bei uns im ZEGG gibt es immer wieder die Tendenz, vor allem auf den Mangel zu schauen. Gerade, wenn der Fokus auf Persönlichkeitsentwicklung liegt, besteht die Gefahr, auch hier dem Optimierungswahn der Gesellschaft zu erliegen – und „besser, bewusster, perfekter“ werden zu wollen. Was aber in der Gegenwart vor allem heißt: ich bin noch nicht gut genug. Schlimmstenfalls identifiziert man sich dann mit seinen Defiziten und Traumastellen.
Ein Weg aus dieser Optimierungsfalle ist, sich der eigenen Ressourcen bewusst zu werden. Bewusstsein führt dazu, dankbar zu werden und die Ressourcen so zu nutzen, dass sie uns nähren: „Dankbare Menschen sind wie fruchtbare Felder, sie geben das Empfangene zehnfach zurück“ (August von Kotzebue).
David Steindl-Rast sagt, Dankbarkeit sei der schnellste Weg zur Verbindung mit der Quelle. Und Joanna Macy benennt sogar Dankbarkeit als subversiven Akt, denn wer dankbar ist für das, was er hat, unterliegt weniger der kapitalistischen Konsumkompensation. Denn das Versprechen der Werbung: „Du musst nur das und jenes kaufen, dann bist du glücklich“ funktioniert ja nur bei unzufriedenen Menschen.
All diese Gedanken waren einleitend bei unserer Matinee präsent. Und dann haben wir uns gemeinsam unserer Ressourcen erinnert. Da gibt es die gemeinsamen wie unseren wunderbaren Platz, die Natur, unsere ökologischen Errungenschaften, die Gemeinschaftsstrukturen und dann natürlich unseren Seminarbetrieb mit den Gästen.
Die wichtigste Ressource im ZEGG sind allerdings die Menschen, die hier leben und sich einbringen. Es gibt viele Gruppen, die sich mit einer bestimmten Absicht committed regelmäßig treffen – von Arbeits-und Kochgruppen angefangen über regelmäßiges Yoga, Meditation, Singen, Tanzen, Performance bis hin zu den Gruppen, die sich treffen, um menschliche Arbeit zu machen – Liebesforschungsgruppen, Männergruppe, Heimatgruppen, radikale Ehrlichkeit, Heilkreis …
Hier merkten wir wieder die Fülle, die bereits existiert. Und viele weitere Punkte wurden genannt, die Menschen als Ressourcen erleben. In fast jeder Lebenslage Menschen zu finden, die ich ansprechen kann und Unterstützung zu bekommen ist sicher eine davon.
Wann wird etwas als gemeinschaftlich wahrgenommen? Dies war eine spannende Frage des darauffolgenden Austauschs. Ist es wertvoller, tägliche Meditation anzubieten als alleine zu sitzen? Grundsätzlich gibt es im ZEGG eine Ausrichtung, dass es gut ist, wenn Einzelne ihre Qualitäten zur Verfügung stellen und andere einladen, etwas miteinander zu erleben. Was, wenn daraus aber ein gefühlter Anspruch entsteht, dass man da dann auch hingehen muss?
Fülle kann leicht wieder in Überforderung münden. Und wenn es viele Angebote gibt, die nur von wenigen wahrgenommen werden, kann auch hier ein Mangeldenken entstehen („Oh je, noch ein Termin, das schaffe ich nicht mehr“ bis zu „Da kommt ja eh keiner“).
Denn trotz der Fülle der Gruppen, die sich gemeinsam mit persönlicher Entwicklung beschäftigen, gibt es Stimmen im ZEGG, die zu wenig Gemeinschaft und Innenarbeit erleben. Wie schaffen wir es, dass die Ressourcen, die da sind, uns auch nähren?
Bei der Matinee gab es hier sehr unterschiedliche persönliche Antworten. Die eigene innere Einstellung ist wichtig und hilfreich, um länger zufrieden im ZEGG zu leben. Und sicher braucht es auch wieder mehr Transparenz, wozu sich welche Gruppen treffen, damit sich die Arbeit der Einzelnen auch als gemeinsame Ausrichtung formen kann. Die Matinée verstand sich als ein Baustein dazu.