von Georg Lohmann
Seit gut fünfzehn Jahren arbeite ich als angelernter Handwerker für unser Bau- und Geländeteam; seit zwei Jahren repräsentiere ich als gewählter Vertreter unser Team im Management-Kreis. Obwohl ich nicht viel verdiene, liebe ich meine Arbeit im ZEGG. Warum?
In den gut zwanzig vorangehenden Berufsjahren habe ich ungefähr hälftig mein Geld als Lehrer / Pädagoge und als Verlagsvertreter verdient. In diesen beiden Bereichen (vor allem dem letzteren) gab es richtig gut Geld zu verdienen. Dennoch habe ich mich – zuletzt in einer sechsmonatigen Auszeit, die ich mir vor zehn Jahren genommen hatte - bewusst für das Arbeiten im ZEGG entschieden, wo wir uns in der Regel bislang mit Löhnen knapp über dem Mindestlohn zufrieden geben müssen.
Warum?
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Ich finde, die Arbeit im und für das ZEGG ist ein sinnvoller Beitrag zum ‚Großen und Ganzen‘. Mein Einsatz macht Sinn, so empfinde ich es. Das Feedback von vielen tausend Gästen sagt uns, dass sie an diesem Platz Erfahrungen machen und Energie tanken, die dazu beitragen, diese Welt zu einem besseren Ort zu machen. Auch wenn meine Aufgabe ‚nur‘ ist, für eine funktionierende Heizung oder die Schönheit von Gebäuden zu sorgen, macht es mich froh, dazu beitragen zu können.
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Wir sind ein selbstverwalteter Betrieb mit sehr flachen Hierarchien. Jeder und jede kann ihre Stimme einbringen, kann – zumindest auch – die Dinge tun, die er oder sie ‚wirklich, wirklich‘ tun will. Das gibt ein Gefühl von Wirksamkeit, welches ich nicht missen möchte.
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Es ist total cool, in einem Team zu arbeiten, in dem man die Möglichkeit hat, alle Kollegen und Kolleginnen richtig intensiv kennenzulernen, in dem Unstimmigkeiten und Konflikte klar adressiert und in der Regel dank der reichhaltigen Erfahrung im Umgang mit solchen Situationen auch gelöst werden können. Ein Highlight, an das ich mich gut erinnere, war eine Situation vor ein paar Jahren, wo wir am Vorabend ein sehr schönes Fest in unserem Blauen Salon hatten und bei unserer täglichen Morgentreffen am Folgetag sich ungefähr zwei Drittel der anwesenden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zuvor auf eben jenem Fest getroffen hatten. Wir haben gar nicht darüber geredet, aber uns schweigend angeschaut und wir wussten: So etwas erlebt mensch anderswo nicht so leicht.
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Die Arbeit ist total abwechslungsreich. Das Lernen hört nie auf – das regt das Gehirn an und hält es jung. Zugleich ist es auch ein schönes Gefühl, nach und nach in immer mehr Bereichen die Sicherheit von ‚das kann ich‘ zu bekommen, und die Chance, das erworbene Wissen auch an andere weiter zu geben. Mensch bekommt relativ schnell Verantwortung übertragen und weitet den Radius der Verantwortlichkeiten im Lauf der Jahre aus.
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Die Arbeit hält mich fit und gesund. Wir achten sehr auf gesundheitsförderndes und sicheres Arbeiten, und weil die Arbeiten so unterschiedlich sind ist es ziemlich unwahrscheinlich, Erkrankungen aufgrund einseitiger Belastungen zu bekommen, wie es leider in vielen Handwerksberufen üblich ist.
- Ich kann mir meine Zeit in einem sehr hohen Ausmaß selbst und frei einteilen. Ich kann mal spontan frei machen, meine Urlaube selbstbestimmt planen etc. – wobei hier natürlich Kommunikation im Team über diese Fragen trotzdem wichtig ist.
„Knapp überm Mindestlohn“ – das klingt doch trotzdem ziemlich abschreckend, oder?
Tja – das mit den Finanzen ist tatsächlich immer wieder ein Thema. Unser Betrieb gibt branchenübliche Löhne, vor allem für die mittleren und höheren Lohn- und Gehaltsgruppen, noch nicht her. Beziehungsweise: wir entscheiden im Zweifelsfall immer wieder neu, lieber mehr zu investieren als die Löhne (kräftig) zu erhöhen.
Jedoch: Das Leben im ZEGG jenseits der finanziellen Sphäre ist so, so reich! Reich an Natur, an gesundem und günstigem Essen, an Kultur, an sozialen Beziehungen – ich habe in den Zeiten, wo ich in der Stadt lebte, gut doppelt so viel Geld ausgegeben wie heute und hatte dennoch eher das Gefühl von Knappheit. Hier habe ich dieses Gefühl so gut wie nie. Ich gebe zu, dass die Erziehung zur Sparsamkeit und zu sehr bewusster Ressourcen-Verwendung, die ich in der Kindheit gehabt habe, mir hilft, so gut zurechtzukommen. „Einfach besser leben“ – diesen Slogan habe ich in der Zeit der ZEGG Gründung kennengelernt und ich finde ihn immer noch gut und halte mich daran. Das funktioniert gut.
Ich habe in beruflicher Hinsicht ‚so einiges durch‘. Die letzten fünfzehn Jahre, in denen ich hauptsächlich im und für das ZEGG gearbeitet habe (nebenberuflich habe ich ein paar Mal im Jahr Aufträge als selbständiger Handwerker gehabt, bei denen ich deutlich besser verdienen konnte), waren die besten Jahre meines bisherigen Berufslebens. Im nächsten Jahr, wenn ich dann offiziell in Rente gehe, plane ich zunächst mal eine große Reise. Aber ich kann mir nur schwer vorstellen, dass das Tätig-Sein damit aufhören wird.