Das Restaurant erzählt...
Aufgeschrieben von Barbara Stützel
Ich höre Klappern. Die ersten Schritte an diesem Morgen nähern sich. Meine Nachtbeleuchtung ist eingeschaltet, so dass man sehen kann, wie jemand mich durchquert und zur Küche geht. Dort gehen große Lichter an und der Wasserkessel wird aufgesetzt. Die nächste Stunde ist erfüllt von unterschiedlichsten Geräuschen – auf Brettern wird Gemüse kleingeschnitten, die Brotmaschine zerteilt brummend die Biobrote. Kaffeegeruch beginnt mich zu durchströmen. Das Erste, was lange vor dem Frühstück zu mir heraus kommt, ist eine Kanne Kaffee. Mit ihr und dem ersten Morgenlicht tauchen weitere Menschen auf, immer mal wieder greifen sie schon auf dem Weg zum Frühsport oder Yoga schon eine Tasse Kaffee ab.
Bevor das Frühstücksbuffet pünktlich um 8 Uhr eröffnet wird, kommen nacheinander Lebensmittel auf die geschwungenen Holztische am Buffet: Brot, Pasten, Marmeladen, Gemüse. Und es gibt auch einige ZEGG Bewohner*innen, die dies nutzen, weil sie schon früh zur Arbeit aufbrechen müssen. Einer bringt die Zeitungen vom Empfang mit – jetzt liegen vier Tageszeitungen auf meiner Theke. Ich mag sie, denn wer sie nimmt, lässt sich häuslicher und länger bei mir nieder, vertieft sich in die große Welt und fängt auch immer mal wieder das eine oder andere ungewöhnliche Gespräch mit seinen Nachbarn an: „Guck mal, es gibt wieder einer neue Idee, Plastik aus den Ozeanen zu fischen.“
Ab acht Uhr wird es lebendiger, Nahrung wandert auf viele Teller an die Tische und wird verzehrt, es wird immer wieder aus der Küche nachgelegt. Ich bin ein Durchschlagsplatz für Energie – und das auf verschiedenste Weise. Menschen tanken sich morgens, mittags und abends hier körperlich auf, sie verzehren Müsli, Brote, Kräutertee oder Kaffee, sie nähren sich mit Gratin, Gemüse oder Reis, Sojadips und frischen Salaten. Dabei sprechen sie oft darüber, wieviel von dem, was sie essen, aus unserem Garten kommt. Die Menschen scheinen es zu mögen, wenn das Essen möglichst frisch auf den Tisch kommt. Verstehe ich, denn wenn diese Lastwagen anfahren, dann brummt immer alles in mir und sie sind viel lauter als die Schubkarren, die das Gemüse aus dem Garten hochbringen.
Neben dem Auftanken mit Nahrung passiert noch etwas Wichtiges – denn während die Menschen in mir sitzen, entladen sich viele von dem, was sie gerade so erlebt haben. „Weißt du, was mir heute passiert ist?“ „Wo kommst du gerade her?“ „Na, und wie war dein Tag heute?“ Oder sie beginnen zu träumen, zu planen. „Du, ich hatte gerade eine Idee, was wir mal machen könnten…“. Das beginnt manchmal schon am Buffet, da will ich sie am liebsten schubsen, denn sie stehen dann schon mal selbstvergessen an den Schüsseln und lassen andere nicht zum Essen. Meist aber beginnen diese Gespräche an den Tischen. Es ist wundervoll, denn die Energien bewegen sich lebendig hin und her. Überall sitzen Grüppchen bis zu sechs Menschen. Manche sind sehr konzentriert in ein Thema vertieft, an diesen Tischen wird auch schon mal wer abgewiesen, „nein hier ist ein Arbeitstisch, wir bereiten gerade was vor.“ Andere beginnen mit losem Geplänkel und fangen dann an, wichtige Dinge zu bewegen – „komm, wir holen uns noch einen Tee und reden mal in Ruhe darüber“. Wieder andere schweigen einfach am Tisch oder lachen miteinander. Nur gelegentlich fallen Sätze wie: „Wieder echt lecker heute, nicht?“
Wenn der Spüldienst eine Stunde später liebevoll jeden meiner Tische abwischt, sitzen immer noch Paare oder Grüppchen da und plaudern freudig entspannt weiter. Wenn das geschieht, fühle ich mich immer sehr als Heimat.
Zwischen den Mahlzeiten ist es wieder ruhiger bis dann erneut Essen aufgetragen wird und Menschen in mich hineinströmen. Erst abends wird es dauerhaft ruhig. Nur noch ganz punktuell klappern Schritte durch mich durch Richtung Küche: Nachtschwärmer, die sich spät noch ein Brot suchen. Und so ist mein Tag ein Pulsieren von Nahrung, Gerüchen und Menschenwellen, die in mich ein und ausströmen. Und ich bin froh, für alle von ihnen ein Heimatplatz zu sein.