Von Christian Bliss
Wir stehen im Kreis beim Kristalldom. Es ist der 21. März, also Tages- und Nachtgleiche – eines der vier Sonnenfeste des Jahres. Dieses Mal im Frühling geht es darum, die beginnende Wachstumsphase zu zelebrieren und sich auf die Vorhaben der bevorstehenden Zeit auszurichten. Und das gilt sowohl für die kommende ZEGG-Saison als Gemeinschaft und Seminarbetrieb, als auch für die individuellen Absichten und Entwicklungslinien der Einzelnen.
Der Kristalldom im ZEGG ist nicht der Kölner Dom, und trotzdem ist es ein besonderer Ort im ZEGG. In den späten 1990er Jahren hatte die Gemeinschaft den Experten Marko Pogačnik zu Gast, der das Gelände unter geomantischen Gesichtspunkten untersucht und ausgerichtet hat. Und der Kristalldom für die Jahreskreisfeste befindet sich auf einem der Herzplätze des ZEGG.
Nachdem wir den rituellen Raum hergestellt haben, treten nun Einzelne in den Kreis und sprechen ihre Absicht oder ihr Gebet für die kommende Zeit, um ihre Ausrichtung zu bestärken – für gelingende Festivals, funktionierende Arbeitsteams, heilsame Gemeinschaftsbewegungen, für den Schutz unserer Kinder und für Kraft und Zuversicht hinsichtlich anstehender Projekte und Vorhaben.
Diese Art der Jahreskreisfeste gibt es schon seit den Anfangszeiten des ZEGG. Sie steht bei uns in der schamanischen Tradition der Deer Tribe Metis Medicine Society. Es geht im Grunde darum, uns Menschen wieder stärker mit den unterschiedlichen Qualitäten und Zyklen der Natur zu verbinden.
Seit vielen Jahren gibt es aus dem gleichen Grund auch Menschen im ZEGG, die insbesondere zu den keltischen Jahreskreisfesten einladen, von denen es ja neben den vier Sonnenfesten auch vier Mondfeste gibt. Die bekanntesten sind Beltane (Walpurgis) und Samhain (Halloween).
Ein paar Wochen später. Es ist die Nacht zum 1. Mai und wir stehen in der Mitte des runden Großzelt-Platzes – gerahmt vom Gestänge des Großzeltes, das noch nicht aufgebaut ist – und feiern Beltane. Es ist das Fest im keltischen Jahreskreis, das dem Eros und den archaischen Kräften von männlich und weiblich gewidmet ist. Genauso wie nun die Natur in den Saft schießt und sich alles befruchtet, betört und blüht und duftet, ist dies die Zeit, um die Liebe und Sexualität zu feiern.
Später werden wir traditionell übers Feuer springen, um unsere Wünsche abzuschicken und unsere Committments zu stärken – zunächst im Hinblick auf Sexualität und Beziehungen. Aber auch hier geht es wie beim Kristalldom darum, unsere Projekte und Vorhaben zu befruchten und weiter durchs Jahr zu tragen.
Das nächste Mal wird der 21. Juni sein – Sommersonnenwende. Der längste Tag. Der Zenit im Jahreskreis. Der Gipfelpunkt mit dem besten Überblick, bevor es im Herbst dann irgendwann in Richtung Ernte und Abschluss geht.
Es ist gut, solche Zeiten des Innehaltens und der (Neu-)Ausrichtung zu haben, um das tägliche Wirken weiter mit Bewusstsein und Klarheit zu versehen und eine verbundene Alternative zu den Hamsterrädern des Alltags zu haben. Auch das ist ein Beitrag zu einer neuen Kultur.