Von Cordula Andrä und Markus Euler

Das ZEGG steht für einen Kulturwandel hin zu mehr Vertrauen, Kooperation und Verbundenheit. Dafür stellen wir in der Gemeinschaft auch geläufige Umgangsweisen in Frage und etablieren eine neue Kultur. Klingt gut, aber was heißt das konkret?

Gerade lernen wir noch einmal neu, welche Spannbreite die Liebe umfasst - dass auch Klarheit und Grenzen dazu gehören. Wenn diese Aspekte fehlen, laufen wir Gefahr, uns im süßlichen Miteinander zu verlieren, dann kommt das Feedback füreinander zu kurz oder gerät zur oberflächlichen Lobhudelei. Im Alltag passiert es viel zu oft, dass mensch mangels Zeit und Raum nicht das ausspricht, was er/sie wirklich aussprechen will. Mit der Ausrichtung auf klares, ehrliches und direktes Feedback in einer liebevollen Haltung erweitern wir unsere Möglichkeiten. Diese Ausrichtung erzeugt ein tieferes Miteinander und eine gemeinsame Wachheit, die uns inspiriert.

Wer weint, hat Recht?

In unserer ZEGG-Kultur gilt es als besonders hoher Wert, sich authentisch auszudrücken. Ein authentisches Mitteilen der eigenen Gedanken und Gefühle schafft Vertrauen und dient dem Aufbau von Verbindung unter Menschen. Dies ist exemplarisch im Forum zu erleben, wenn Einzelne in die Mitte gehen, von sich sprechen und von einer kompetenten Forumsleitung unterstützt werden. Wenn dies auf eine klare und liebevolle Weise geschieht, dient es der gesamten Gruppe. Es kommt allerdings auch vor, dass Menschen sich emotional ausbreiten und dem Ganzen eher schaden. Denn nicht alles, was ausgedrückt werden will, trägt zur Entwicklung der Gemeinschaft bei.Wir haben in unserem Miteinander eine Tendenz entdeckt, die da lautet: Wer weint hat Recht. Die Person, die gerade ihren Schmerz ausdrückt, darf in ihrem authentischen Ausdruck nicht begrenzt werden. Oder doch? Vielleicht ist sie in einem Muster gefangen, welches seine Energie daraus bezieht, die Aufmerksamkeit im Raum zu kapern? Wir erweisen dann weder uns noch der Person einen Dienst, wenn wir diesem Spiel mehr Aufmerksamkeit schenken. Deshalb kann es ein Ausdruck von Liebe sein, hier zu intervenieren. Nicht weil mensch etwas verdrängen will, sondern weil es der Liebe mehr dient, als wenn 50 Menschen einem destruktiven Muster Aufmerksamkeit geben. Liebe ist nicht ausschließlich ein großzügiges Gewähren lassen, sondern besteht auch darin, Grenzen zu setzen. Die Schwierigkeit liegt natürlich darin zu differenzieren, wann ein emotionaler Ausdruck dem gemeinsamen Raum dient und wann nicht. Was wir tiefer lernen ist, dass es durchaus mal für die Liebe sein kann, wenn ein solcher begrenzt wird, um sich nicht von destruktiven Mustern bestimmen zu lassen. Authentizität ist ein wichtiger Wert, aber eben nur einer. Es ist gut, ihn anderen Werten gegenüber abzuwägen. Dies gilt ganz besonders, wenn Projektionen ins Spiel kommen.

Ein kleiner Exkurs zur Projektion

Ich werfe einen Schatten
aus mir heraus
er trifft dich
sieht dort besser aus.
Ich kann ihn besser sehen
er stört mich.
Doch ich kann nicht wegsehen,
weil ich der Magnet bin
der meinen Blick
immer dorthin zieht.

Besonders stark projizieren wir auf Menschen, die im Rang über uns stehen. Projektionen erzeugen Schmerz bei den Menschen, auf die sie gerichtet werden und lassen keinen wirklichen Kontakt zu. Wir widmen uns deshalb in der Gemeinschaft verstärkt dem Zurücknehmen von Projektionen, um uns besser zu sehen und hören zu können. So klären wir Schritt für Schritt den gemeinsamen Raum. Wir räumen Vorbehalte aus dem Weg und vertiefen Freundschaften.

Was vermehrt die Liebe?

Angestoßen haben wir diese Prozesse in der Gemeinschaftsintensivzeit im September letzten Jahres. Sie wurde begleitet von Menschen aus der Go&Change-Gemeinschaft. Dies war ein Start und viel mehr, als wir hier schreiben können. Wir haben Gleise gelegt und Weichen gestellt, uns ausgerichtet auf das, was die Liebe zwischen uns mehrt. Seitdem sind wir dabei, gewonnene Erkenntnisse umzusetzen und weiterzuentwickeln. Für ein klares Miteinander und eine lebenswerte Zukunft.