Von Mara Löffler

„In unseren Beziehungen leben und erwarten wir heute weitaus mehr Gleichberechtigung als noch vor zwei Generationen. Dieser Kulturwandel betrifft auch Unternehmen. Das verlangt nach einer neuen (Führungs-) Kultur. Die Zeit ist reif für die Soziokratie. Ob wir als Individuen schon reif sind, diese Haltung zu leben, steht auf einem anderen Blatt." Sonja Maier

Sonja Maier ist eine von zwei TrainerInnen für die Soziokratische Kreismethode in Deutschland. Aus ihrer täglichen Arbeit in unterschiedlichen Organisationen kennt sie die Schwierigkeiten, die Führung heute mit sich bringt. Kleine Start-Ups zum Beispiel beginnen oft mit wenigen VisionärInnen, die MitarbeiterInnen um sich sammeln und diese nach ihrer Meinung fragen, die Antworten aber selten berücksichtigen können. Dann kippt die Anfangseuphorie in Frust. Oder ein Firmenchef hält krampfhaft alle Fäden zusammen, spürt aber, dass seine Mitarbeiter demotiviert sind und weiß nicht, wie er Verantwortung abgeben kann.
"Soziokratie bringt die Vorteile der Selbstorganisation und der hierarchischen Klarheit zusammen und liefert damit viele Antworten auf die Fragen unserer Zeit," so Sonja Maier. 

Was genau ist Soziokratie?

Den Begriff „Soziokratie“gibt es schon seit dem 19. Jahrhundert. Er geht auf August Comte zurück und bedeutet „gemeinsam führen“oder „verbündet regieren“. Vor circa 40 Jahren hat Gerard Endenburg in den Niederlanden soziokratische Werkzeuge in sein Familienunternehmen eingebracht. Die Erfolge haben ihn derart begeistert, dass er diese auch für andere Unternehmen zugänglich gemacht hat. Von da aus verbreitete sich die Soziokratie. Sonja Maier hat ihre Ausbildung bei Barbara Strauch in Österreich absolviert.

Grundsätzlich ist die Soziokratie ein Ansatz, um gemeinsam gute Entscheidungen zu treffen. Sie fördert Selbstorganisation und ermöglicht einer Gruppe von Menschen, ihre Ziele zu erreichen, ohne dass die Macht über andere beim Einzelnen zusammenläuft. Soziokratie hat Lösungen für Vereine, Start-Ups oder andere Organisationen, die einerseits mit flachen Hierarchien arbeiten und persönliche Belange und Meinungen ernst nehmen, aber zugleich zielorientiert und effizient arbeiten wollen. Wie zum Beispiel eine Freie Schule, die ihre SchülerInnen nicht nur pro forma fragt, sondern ihre Stimmen tatsächlich einbeziehen will. Die Soziokratie trägt generell dazu bei, dass mehr Rückmeldungen von den Ausführenden bzw. Betroffenen bei der Führungsebene landen. Das bringt für alle mehr Selbstverantwortung, Spielraum und Freude. Und auch die Jüngsten an einer Schule können mit darüber beraten, wie sie leichter lernen.

„Die Soziokratie lädt Intellekt, Intuition und Inspiration in den Entscheidungsprozess ein - das eröffnet die Möglichkeit zu viel kreativeren Lösungen“, erzählt Sonja Maier.

Eine Schlüsselfrage der Soziokratie lautet: Wie kann eine Organisation so aufgebaut werden, dass jeder darin seinen Platz findet? Die Visionärin kann in ihrer Rolle anders aufgehen, wenn sie nicht parallel dazu - mehr oder weniger aus Versehen - Chefin, Pressestelle und Krisenmanagerin ist. Als Führungskraft muss ich nicht befürchten, dass das gemeinsam erarbeitete Ergebnis hinter meiner Vision zurückbleibt. Im Falle eines schwerwiegenden Einwands —schwerwiegend dann, wenn ich das zuvor formulierte Ziel in Gefahr sehe — wird dieser immer angehört und berücksichtigt.

Eine gute Moderation ist vielleicht das wichtigste Element in der soziokratischen Arbeitsorganisation. Sie hält den Blick immer auf die übergeordneten Werte und Ziele. Sie findet - mit allen im Kreis, auch den leisen Stimmen - ein „sowohl als auch“ anstelle eines „entweder oder“. Eine Lösung, die gut genug ist für jetzt und sicher genug, um sie auszuprobieren. Wichtig dabei ist die Haltung. Man hört Einwände an und versucht, diese so zu integrieren, dass sie das Niveau der am Ende getroffenen Entscheidung anheben. Gleichzeitig wird mit dem soziokratischen Arbeiten weniger Zeit für emotionale Prozesse oder Konflikte aufgewendet und damit schont sie personale Kräfte und Ressourcen.

Die ZEGG Bildungszentrum gGmbH nutzt die soziokratische Methode seit einigen Jahren mit viel Erfolg. Sonja Maier ist Trainerin für Soziokratie und Mitbegründerin des Soziokratiezentrums Deutschland und bietet regelmäßig Seminare im ZEGG Bildungszentrum an. Die nächsten Termine finden sich hier.