Gedanken zum "Wheel of Consent" von Mara Löffler

Das Wheel of Consent (Konsensrad), wie es Betty Martin entwickelt hat, ist für mich ein Geschenk. Ich bin erstmals im Januar damit in Berührung gekommen, als die ZEGG-Gemeinschaft ihre Intensivzeit „Liebe, Sex und Wahrheit“ widmete. Wir haben uns gefragt: Wo gehen wir unbewusst mit Hierarchie und Macht um? Wie werden sexuelle Anziehungen ausgesprochen und ausgelebt? Danach war klar: Dieses Rad hat es in sich. Klarer Konsens ist nicht nur ein Plus, sondern eine Notwendigkeit. Und so hat es seinen Weg ins Pfingstfestival gefunden. 

Wheel of Consent

Das Konsensrad ist ein Werkzeug, um achtsam mit Verletzungen und Schatten in der Sexualität umzugehen. Das Wheel of Consent in seiner Einfachheit, Anwendbarkeit und Klarheit begleitet mich seither. Dahinter steht die Absicht, klare(re) Räume für Sexualität zu schaffen, in denen Konsens in seinen vielen Bedeutungen erforscht werden kann. Ich kann mich in vier klar unterschiedenen Rollen erfahren, die ich im Kontakt mit anderen Menschen (meist eher unbewusst als bewusst) einnehme. Das hilft mir dabei, mein eigenes Handeln - und Nicht-Handeln - besser zu verstehen, um es da zu verändern, wo ich mir Veränderung wünsche.

Sehr vertraut sind mir das „Dienen“ und das „Hingeben“, insbesondere mit ihren Schattenseiten. Damit bewege ich mich in den beiden Quadranten, wo ich für andere handele bzw. mich anderen zur Verfügung stelle. Das ist nicht falsch, denn jeder Quadrant kann lustvoll und schön sein. Aber es wird dann problematisch, wenn wir zum Beispiel den Quadranten ohne Absprache mit unserem Gegenüber wechseln. Oder dann, wenn uns ein Quadrant verschlossen scheint, weil wir, oft aufgrund unseres biologischen Geschlechts und der entsprechenden weiblichen oder männlichen Sozialisierung, nie gelernt oder geübt haben, uns darin zu bewegen. 

Das aktive „Nehmen“ war (und ist) für mich die größte Herausforderung. Nicht nur, aber auch in der Sexualität. Wenn ich frei wählen darf, was ich mir in diesem Moment - ganz tief drinnen - von einem anderen Menschen wünsche, dann bin ich erstmal wie leer gefegt. Stumm. Genau deshalb ist das Wheel of Consent ein Geschenk für mich: Weil es einen sicheren Raum für spielerische, experimentelle Erfahrungen eröffnet, in dem „Nein“ sagen, Grenzen setzen und Bedürfnisse wahrnehmen (und aussprechen) leichter wird.

Es macht Spaß, zu erfahren, dass ein „Nein“ nicht Zurückweisung oder Kontaktabbruch bedeutet, sondern mehr Klarheit - und damit mehr Sicherheit - in den Kontakt bringt. Es macht mich glücklich, zu bemerken, dass ein Nein meines Gegenübers mich zwar noch immer kurz zusammenzucken lässt - oh, sie/er will mich nicht! - aber dann eine neue Erfahrung folgt: Ich bin viel mehr im authentischen Kontakt, wenn ich darauf vertrauen kann, dass meine Partner*innen ihre Grenzen wahren können. Wenn ein klarer Konsens besteht, der fortlaufend erneuert wird.

Beim Üben mit dem Wheel of Consent …

> geht es nicht um Tricks, um auf neuen Wegen an das Ziel - den Sex - zu kommen. Aber es ist eine geniale Technik, um immer aufrichtiger und vertrauensvoller zu berühren und berührt zu werden. Eine, die zu erlernen und üben sich lohnt.

> geht es um Berührung, Grenzen, Einvernehmen und darum, zu wissen, was ich will - es überhaupt erst zu fühlen, anzuerkennen und dann zu kommunizieren.

> wird es Momente geben, da fühlt es sich seltsam und verletzlich an, Momente, wo wir mit Scham, Angst oder Schuld konfrontiert werden. Das ist es wert, weil am Ende mehr Leichtigkeit, Sinnlichkeit und Spaß im Kontakt stehen.

> beginnt jede*r dort, wo er oder sie gerade steht. Es bedarf dafür nur Neugier und zwei oder mehr Menschen.

Videos, Material und Inspiration findet sich auf der Website von Betty Martin: 

https://bettymartin.org/videos/