Ein Plädoyer von Achim Ecker

Jahrzehntelang habe ich nach Lösungen gesucht. Möglichst solche, die ein Problem ein für alle Mal beseitigen. Sowohl für meine persönlichen Probleme als auch für die kriegerische und feindliche Haltung unter den Menschen und unseren Umgang mit der Natur. Ich habe immer wieder Lösungen gefunden, die ich heiß und innig vertreten habe, für die ich gekämpft habe und für die ich auch schon Freunde verlassen habe. Ich wollte die Welt verändern oder besser, wie sich Menschen in dieser Welt verhalten. „Fragend schreiten wir voran“ sagten die Zapatisten bei ihrem Aufstand 1994 in Chiapas, Mexiko. Vielleicht ist es überhaupt besser erst mal die Fragen zu stellen?

Schließlich musste ich einsehen, dass ich mit dieser Strategie versuchte, meine Ohnmacht nicht zu spüren. Ich wollte die Dinge nicht so haben wie sie sind. Sobald ich aber eine Realität nicht sehen will, mache ich mein Leben automatisch empfindungsloser und dumpfer. Bei näherer Betrachtung werde ich sehen, dass die Dinge in meinem Schatten gar nicht so dunkel sind wie sie scheinen. Ohne Neugier, auch mir selbst mit meinen dunklen Seiten gegenüber, wird das Leben nicht zu leuchten beginnen.

Für mich hieß das, mir einzugestehen, dass ich nicht weiß, wie ich Menschen davon abbringen kann, durch ihr Handeln die Umwelt (und letztlich ihre Lebensgrundlage) für billigen Konsum und Profit zu zerstören. Ich habe viel probiert, habe moralisch appelliert, dann logisch, dann emotional. Das Wissen über die Folgen unseres Handelns ist da, auch wie wir handeln müssten, um eine Katastrophe abwenden zu können. Wir wählen dennoch, dies nicht zu beachten. Wie kann ich diese Haltung beeinflussen? Wir Menschen müssen umdenken, umfühlen und erkennen, dass wir eine Wirkung auf die Welt haben durch alles, was wir tun und auch all das, was wir nicht tun.

Ich lebe seit mehr als 30 Jahren in einer radikal suchenden Gemeinschaft, die heute im selbst-verwalteten, gemeinnützigen ZEGG Bildungszentrum in Bad Belzig ihren Fortgang findet. In der frühen Anfangszeit waren wir, wie viele Gruppen, arrogant im Glauben, wir hätten die Lösung. Alles würde gut, wenn nur alle sich so verhalten würden, wie wir es zu leben versuchten. Andere waren in unserer Überzeugung einfach noch nicht so weit zu erkennen, was wichtig war.

Ich selber lebe und arbeite im ZEGG in der Gestaltung einer essbaren Landschaft und daran, dass Menschen mehr von ihrem Potential entwickeln und so diejenigen werden können, die sie sind. Ich gebe Seminare in denen Menschen sich entfalten können, bewusster werden und sich in ihrer Liebesfähigkeit öffnen. Ich gebe auch Kurse in Permakultur und Terra Preta. Nach fast 40 Jahren Gemeinschaftsaufbau und -leben haben wir sicher einige Antworten oder Teile einer Lösung gefunden. Vielleicht kann man sie als Haltungen im Leben sehen, als Wegweiser auf dem Weg zu einer nachhaltigen Kultur, in die der Mensch als Ganzes hineinpasst.

Es gibt sowieso nie nur EINE Lösung. Es ist auch nicht zu erwarten, dass eine einzige zentrale Lösung für überall Gültigkeit haben könnte. Wie in der Permakultur gilt jede Lösung nur sehr lokal und alles, was man vermitteln und weitergeben kann, ist die Art und Weise wie man richtige, momentane Lösungen finden kann. Ist nicht die Suche nach der Lösung, die überall gilt, alleine schon ein patriarchaler Gedanke?

Wir brauchen die geistigen, emotionalen, psychischen und spirituellen Werkzeuge, mit denen wir in jeder Situation eine jetzt gerade passende Lösung finden können. Diese Werkzeuge kann man lernen und sie werden sich – wie alles in der Evolution – ständig weiterentwickeln.

Warum Kooperation?

Wir alle haben einen blinden Fleck. Den haben wir persönlich, den hat aber auch jede Gruppe, Organisation und jeder Staat. Das kennt man ja und es kann peinlich sein, weil es bedeutet, dass andere etwas an uns sehen, das wir selbst nicht sehen können. Darin liegt aber auch eine große Möglichkeit. Wir brauchen andere, um ganz zu werden. Ich brauche die Rückkopplung der anderen, um mich vollständiger sehen zu können! Ist das nicht genial? Rückkopplung ist ein wesentlicher Baustein in allen Lebensvorgängen. Sie ist eine von den 4 Grundlagen lebendiger Systeme.

Wenn wir das verinnerlichen, kann Kooperation entstehen, wo wir uns nicht mehr verstecken müssen mit dem, was in uns ist. Andere haben andere an die jeweilige Situation angepasste Antworten gefunden. Wenn wir uns mit unseren verschiedenen Entdeckungen zusammentun und kooperieren entsteht Synergie. Synergie, bei der mehr entsteht als die Summe der Einzelteile, ist ein zweites Prinzip lebendiger Systeme. Dazu braucht es den Willen zur Kooperation, eine gewisse Demut und die Offenheit gegenüber den Wegen Anderer.

Natürlich haben wir alle alte Wunden, um deren Heilung wir uns kümmern sollten, denn sonst steuern sie unser Leben aus dem Schatten heraus. Wir bauen uns ganze Weltbilder auf, wie wir und andere zu sein hätten, nur um diese alten Wunden nicht fühlen zu müssen. Und wir verlieben uns in diese Bilder. Wie viel mehr oder weniger traumatische Erfahrungen stehen bei jedem Einzelnen dazwischen, bevor wir uns erlauben anzufangen ganz zu leben? Wie lange müssen wir uns noch (und alle anderen 7 Milliarden Menschen) therapieren und heilen, bevor wir endlich das Paradies des Lebens schaffen, das möglich wäre?

Wir brauchen keine Lösung mehr

Ich glaube, dass jede so genannte Lösung früher oder später überholt sein wird. Wird sie dann nicht überprüft und erweitert, wird die Lösung von gestern zum begrenzenden Faktor von heute. Was ist wirklich schlimm daran, dass wir die letztliche Lösung nicht haben? Wem müssen wir uns beweisen? Schütze ich mich durch den Glauben eine Lösung zu haben davor, zu verzweifeln? Dann muss ich den Schmerz nicht fühlen, sondern empfinde Wut gegenüber denen, die dieser so offensichtlichen Lösung nicht folgen. Wie kann ich all den Schmerz und das Leid wirklich fühlend an mich heran lassen, ohne daran zu zerbrechen? 

„Welt, breche mein Herz, auf dass es wachsen kann.“ Wie groß und weit muss ich mein Herz machen, dass es all das umfassen kann?

Ist es nicht nur wichtig auf dem Weg zu sein? Der Weg kann nur beim Gehen entstehen. Niemand kann ihn mehr voraussehen, zu komplex ist das vernetzte Leben, zu überraschend die Wendungen des Lebendigen. Was wir tun sollten, ist diesen Weg auch zu gehen. Wichtige Werkzeuge oder Wegweiser dabei sind Empathie und dass wir für alle Regungen, die in uns stattfinden, die Verantwortungen ganz übernehmen und gleichzeitig aus der inneren Inspiration heraus handeln. Welch eine Feier könnten wir auf diesem Weg feiern?